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Roboter auf der Galopprennbahn: 16 Projekte gegen Leerstand in Bremen

Eintrag von am 05.10.2020

Brachflächen und leere Räume werden in Bremen und Bremerhaven für kurzfristige Projekte genutzt. Die Projekte sind vielseitig. Wie die Zwischennutzung aussieht, zeigt diese Übersicht.

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Verschiedene Gruppen haben in den vergangenen Monaten ihre Ideen für eine temporäre Nutzung der ehemaligen Pferderennbahn bei den Behörden eingereicht. Bild: Radio Bremen

Kunstausstellung in einer ehemaligen Fabrik? Eine Bar unter freiem Himmel? Immer wieder suchen Künstler, Kollektive und private Gruppen nach einer freien Fläche, auf der sie ihre Visionen verwirklichen können – zumindest für eine kurze Zeit. Und obwohl der Raum im Stadtstaat Bremen vielleicht nicht so ausgiebig vorhanden ist wie in anderen Bundesländern, entstehen hier ebenfalls neue Projekte. Unten findet man einen Überblick einiger aktuellen Vorhaben.

Aktuelle Zwischennutzungsprojekte in Bremen

1 Galopprennbahn

Nach dem Referendum vergangenes Jahr ist eine Bebauung der Fläche ausgeschlossen. Verschiedene Gruppen haben in den vergangenen Monaten ihre Ideen für eine temporäre Nutzung der ehemaligen Pferderennbahn bei den Behörden eingereicht. Wie die Zwischenzeitzentrale (ZZZ) bestätigt, sind einige Vorhaben bereits gestartet. Im September gab es auf dem 30 Hektar großen Areal bereits ein Bürgerfest mit Schaulaufen von Pferden, bald könnte ein Marsroboter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz auf dem Gelände herumstöbern. Auch Schülerinnen sollen die Fläche für Lernzwecke nutzen können – zum Beispiel mit einem Schulgarten. Bogenschießen gehört ebenfalls zu den genehmigten Projekten, Crossgolf und Ballonfahrten könnten auch bald stattfinden. Viele Initiativen sollen aber erst 2021 an den Start gehen. 

2 Altes Rathaus in Blumenthal

Das ehemalige Rathaus in Blumenthal steht unter Denkmalschutz. Vor einigen Jahren befanden sich dort ein Jobcenter und das dortige Ortsamt. Als das Jobcenter 2015 auszog, war die Zukunft des Gebäudes noch unsicher. Ein Jahr später zog das Ortsamt ebenfalls um, das Gebäude stand komplett leer. Doch im August dieses Jahres ist unter seinem Dach ein neues Projekt entstanden: das Textil-Atelier "Neue Wolle". Frauen, vor allem Alleinerziehende und Migrantinnen, arbeiten an verschiedenen Stoffen und mit verschiedenen Techniken. "Die Frauen können im gemeinsamen, kreativen Arbeiten ihre individuellen Fähigkeiten erproben und erweitern, sich miteinander vernetzen, die deutsche Sprache üben und im Stadtteil Fuß fassen", sagt dazu Projektleiterin Johanna Boehme. Die Initiative wird von der Einrichtung "Quartier" betreut.

3 Könecke Wurstfabrik

Seit 2012 werden in der Hemelinger Fabrik keine Würste mehr angefertigt. Allerdings ist dort seit 2015 die Initiative "Wurst Case" aktiv, die sich mit Stadtforschung beschäftigt. Sie suchen neue Wege, den freien Raum in der Fabrik und auf dem Gelände zu nutzen. Seitdem sind einige Projekte verwirklicht worden: eine Fahrradselbsthilfwerkstatt, Sprachkurse für Geflüchtete, ein Café und vieles mehr. Die Initiative hat den zweiten Preis des Deutschen Städtebaupreises in der Sonderkategorie gewonnen.

4 Coca-Cola-Gelände

Seit 2016 stehen die Produktionshallen auf dem mehr als drei Hektar großen Areal in Hemelingen leer. Und bereits in den vergangenen Jahren haben dort vorläufige Projekte stattgefunden. Ab Oktober soll dann nach Angaben der ZZZ auf dem Gelände eine Kunstausstellung umgesetzt werden.

5 Das Papageienhaus

Das als Papageienhaus bekannte Jakobushaus in der Bahnhofsvorstadt diente noch vor einigen Jahren als Obdachlosenunterkunft. Heute ist das Kollektiv "Zucker" dort vorläufig aktiv. "Zucker" ist ein Netzwerk von Musikern und Künstlern aus der Elektro- und Clubszene. Bis Corona kam, feierten die Menschen im Erdgeschoss des Hochhauses Elektro- und Tanzpartys. In dem Haus soll es auch Raum für ein Atelier geben.

6 Villa Wilkens

Noch bis Ende Dezember 2020 darf der gebürtige Franzose Victor Antoine Thomas mit seiner Tofu-Produktion "Victors Tofu" in der Villa Wilkens in Hemelingen bleiben. Der Betreiber verhandelt gerade über einen neuen, künftigen Standort. Thomas stellt vorwiegend Tofu in verschiedenen Geschmacksrichtungen her – mit deutschen Zutaten und in wiederverwendbaren Behältern. In der Villa befindet sich außerdem eine Akademie für die Weiterbildung von Pflegekräften und Sozialarbeitern.

7 Hemelinger Strand

Am Weserufer ist seit mittlerweile drei Jahren die Bar "Die komplette Palette" beheimatet. Die Zwischennutzung ist bis 2023 gesichert. Zwischen Segelbooten, Sand und grünen Wiesen veranstaltet das Team um Initiator und Organisator Immo Wischhusen jedes Jahr im Sommer Open-Air-Konzerte, Sportevents und Musikfestivals. Die Initiative bezeichnet sich als "soziokulturelles Kunstexperiment".

8 Altes Geschäft in der Mühlenstraße in Blumenthal

In einem leer stehenden Laden in der Mühlenstraße ist die Kunstschau "Supermarcks" von September bis Dezember 2020 zu sehen. Die Grundidee ist, Skulpturen von Gerhard Marcks in einem kommerziellen Raum zu zeigen und für den "Konsum" anzubieten. "Marcks meets Supermarkt" heißt das Motto. Die Eröffnung sollte im März stattfinden, wurde aber wegen Corona verschoben. Sie wird von mehreren Gruppen und Einrichtungen betreut.

9 Altbremerhaus im Viertel

In einem Altbremerhaus mitten im Viertel hat sich eine Künstlergruppe angesiedelt. Das "MMS Offspace" kann bis Dezember 2020 beim Steinernen Kreuz internationale Kunstwerke und Installationen zeigen. Die Künstler verbinden die Elemente des Gebäudes, die aus vergangenen Epochen stammen, mit ihrer aktuellen, zeitgenössischen Arbeit. Das Haus befindet sich im privaten Besitz.

10 Ortsamt Obervieland

Ein Angebot von Frauen für Frauen: Im Frauenkreativlabor "Frei.raum" entwerfen mehr als 20 Frauen aus Afrika, Asien und Osteuropa Kleidung und Accessoires unter Anleitung von Modedesignerinnen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um ein ganzes leer stehendes Gebäude, sondern nur um einige Räume, die zur Zwischennutzung stehen. Die Werkstatt soll Migrantinnen, Geflüchteten und Alleinerziehenden einen Raum anbieten, in dem sie sich technisch und persönlich weiterentwickeln können. Ziel ist die Vorbereitung auf die Berufstätigkeit. Das Projekt wird vom gemeinnützlichen Unternehmen "Quartier" betreut.

Zwischennutzungen in Bremen

Wer eine Idee für die vorläufige Nutzung brachliegender Flächen oder leer stehender Gebäude in Bremen hat, kommt an der Zwischenzeitzentrale (ZZZ) kaum vorbei. Sie vermittelt bei Bedarf zwischen Behörden und Projektinitiatoren und unterstützt diese bei der Konzeptentwicklung sowie bei der Suche nach geeigneten Räumen. Auf ihrer Webseite hat sie eine Anleitung für Interessenten veröffentlicht. Das Prinzip der Zwischennutzung beschreiben sie so: "vergünstigter Raum gegen befristete Nutzung".

Über diese Ideen wird noch diskutiert:

Die ZZZ weist darauf hin, dass sich mehrere Projekte gerade in der Planungsphase befinden. So werde gerade mit einem Supermarkt in Gröpelingen verhandelt, der von Schülerinnen als Atelier genutzt werden könnte. Auch für die Innenstadt gebe es mehrere Ideen. "Doch es ist schwer, Raum dort zu öffnen", sagt ZZZ-Mitarbeiter Daniel Schnier. Und Corona mache alles noch schlimmer. Zurzeit sei es sehr schwer Zwischennutzungen in Räumen "coronasicher" zu gestalten. 

Ferner gebe es eine Initiative, die das ehemalige Autohaus an der Kornstraße gern nutzen möchte und ein "antifaschistisches Gym", also ein Sportstudio, das sich gegen Diskriminierung einsetzt, das gerade nach Räumen suche. Unklar sei auch noch die langfristige Zukunft des Open-Air-Projekts "Irgendwo" an der Amelie-Beese-Straße. "Irgendwo" ist ein Veranstaltungsort im Freien in der Nähe des Bremer Flughafens.

Ein Bericht von Serena Bilanceri und Joschka Schmitt (c) Radio Bremen, 2020