ZwischenZeitZentrale Bremen

Speicher mit Aussicht - Industriegebäude auf Brinkmann-Gelände könnte zu einer Kulturzentrale in Woltmershausen werden

Eintrag von am 02.09.2014

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Bremen-Woltmershausen. Vielerorts werden leer stehende Industriegebäude zu Kulturzentralen und urbanen Arbeitsorten. In Woltmershausen könnte künftig ein Tabakspeicher auf dem Gelände der Brinkmann-Fabriken von Kulturschaffenden und Existenzgründern genutzt werden. Die Münchner Immobiliengesellschaft, der das Gebäude gehört, ist interessiert, die Bremer ZwischenZeitZentrale hat ein Konzept erarbeitet. In Bremen wird an einem Großprojekt geschmiedet, das einen riesigen Tabakspeicher zum Leben erwecken könnte. Der Speicher IX auf dem Gelände der traditionsreichen Bremer Tabakfirma Brinkmann ist baugleich zum Speicher I beim Europahafen. Er birgt 20.000 Quadratmeter freien Raum: eine Fläche, fast so groß wie die Verkaufsfläche von Karstadt. Weitläufige Hallen, die derzeit ungenutzt sind.

Der Speicher an der Senator-Apelt-Straße steht leer. Es riecht noch etwas nach fermentiertem Tabak, der hier gelagert wurde. Mitte 2009 ist der Speicher dem Eigentümer zufolge von der Tabakfirma British American Tobacco (BAT) geräumt worden, zu der Brinkmann heute gehört.
Das Gebäude ist in gutem Zustand, Tabak könnte man hier gut lagern, da sind sich alle einig. Aber: „Es ist schwierig, ein Unternehmen zu finden, das so große Flächen nutzen will", sagt Edith Nikolaus, die den Speicher verwaltet. Zudem sei das Gebäude für manche Interessenten unpraktisch, weil die vielen Stützpfeiler in den Lagerhallen beim Warentransport immer wieder umfahren werden müssten.
Zuletzt aber ist der Speicher IX sehr aufmerksam begutachtet worden: Mitarbeiter der Zwischenzeitzentrale (ZZZ) haben sich das Gebäude angesehen. Sie würden den Speicher gerne umnutzen. „Wir würden das Gebäude entwickeln", sagt Daniel Schnier von der ZZZ. Sie ist ein Pilotprojekt, das von mehreren Behörden gemeinsam getragen wird und auf die Belebung schlafender Orte und auf Beteiligung in der Stadt setzt. Derzeit will im Rahmen eines EU-Projekts unter anderem Rom von dem Bremer Projekt lernen.
Die ZZZ möchte den Speicher mieten. Konkret könnte so ein Hauptmieter als zentraler Ansprechpartner für eine Vielzahl von Untermietern auftreten - ein Modell, das so ähnlich bereits in der Plantage 9 in Findorff erprobt wurde.
Daniel Schnier spricht von einem „Riesen-Ratatouille": Musik, Klubkultur, Büroräume, kleine Betriebe, Theatergruppen. Viele kleine Nutzer, die einen großen Speicher füllen - und nebenbei zu einer von der Stadt angestrebten Belebung von Woltmershausen beitragen könnten.
„Wir haben 800 Anfragen von Nutzern bekommen, die in Bremen nach Räumen suchen und ein Konzept formuliert haben", sagt Schnier. „Wir könnten eine Speicheretage nur mit Bildhauern füllen." Unter den Raumsuchenden fänden sich Interessenten vom Süßwassergarnelenzüchter bis zum Bambusradbauer. Auch das Subkultur-Netzwerk Zuckerwerk, das seit 2012 auf Raumsuche ist und derzeit in der Überseestadt Unterschlupf gefunden hat, sei an dem Speicher interessiert, sagt Schnier.
Den Keller des Speichers könnten Musiker als Proberäume nutzen, das Erdgeschoss könnte sich für Besucher öffnen. In den restlichen Geschossen gäbe es Platz für Ateliers, Büros und gemeinsam genutzte Bereiche. Bei der ZZZ denkt man an eine zehnjährige Nutzung, die nach einer Phase der Zwischennutzung in längerfristige Umnutzung übergehen könnte, für die ein stärkerer Umbau notwendig wäre.
Es laufen Gespräche mit dem Speicher-Eigentümer, der Münchner Immobiliengesellschaft Ariston Real Estate. Dem Unternehmen, das sich als Bestandshalter versteht, gehören drei Speicher auf dem Gelände der Tabakfirma Brinkmann. „Wir sind offen für Gespräche und finden den Ansatz der Zwischenzeitzentrale interessant", sagt Stefan Heß von der Ariston Real Estate. „Wir glauben, dass dieser Ansatz auch für die Entwicklung des Stadtteils interessant sein könnte." Er betont zugleich, dass das Projekt noch am Anfang steht: „Für die zukünftige Speichernutzung sind noch alle Szenarien denkbar."
Bau-Staatsrat Wolfgang Golasowski sagte auf Nachfrage, er begrüße das Vorhaben außerordentlich. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die eine Staatsräte-Runde am Montag passiert hat, heißt es, derzeit würden für das Brinkmann-Gelände „die Möglichkeiten für eine umfangreiche Zwischennutzung geprüft". Die Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft hatte sich nach den Möglichkeiten einer kulturwirtschaftlichen Nutzung verschiedener Immobilien erkundigt und dabei unter anderem nach dem Brinkmann-Gelände gefragt.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Text und Autorin: Frau Sara Sundermann, Fotografien: Frau Christina Kuhaupt, Ausgabe: Weser Kurier / Rubrik Bremen, Seite: 7 Datum: 02.09.2014