Das schwebende Hinterzimmer in Blumenthal
Hochsitz – Lounge - Kontrollzentrum Blumenthal 2018. Was ist hier los? Eine versinkende Kirche steht auf dem Marktplatz. Eine fremde Gruppe Künstler*innen ist angekommen. Was wollen sie? Blumenthaler*innen und Wahl-Blumenthaler*innen beobachten die Ereignisse rund um und in der Neu-Blumenthaler Station. Sie reden über ihre Befürchtungen und Hoffnungen für Blumenthal. Sie schleichen sich in die fremde Gemeinschaft ein, entführen und verführen Gäste und Besucher*innen der Kunst-Kirche, vollziehen Rituale und Befragungen in einem Hinterzimmer dessen Lage niemand kennt. Nicht Du findest das Zimmer, das Zimmer findet Dich.
Das Projekt „Das schwebende Hinterzimmer“ entwickelt sich rund um die Frage nach der kulturellen Identität und Heimat der Blumenthaler*innen, die jetzt dort leben. Wer ist wie und wann dort angekommen, ist dort geblieben, freiwillig oder aus Mangel an Möglichkeiten? Was bringen sie mit? Was finden sie vor? Was ist ihr Selbstverständnis? Sind sie Blumenthaler*innen? Wann und wie entsteht Zugehörigkeit? Werden sie ausgegrenzt? Will man vielleicht nicht dazu gehören? Ist es identitätsstiftend sich ab zu grenzen? Wie können die Bedingungen lokaler Identität und ihre Zuschreibungen aufgelöst werden? Welche Möglichkeiten hat Kunst Identität zu hinterfragen und "neu“ zu erfinden? Die Recherche bezieht sich im ersten Schritt auf die Anwohner rund um den Blumenthaler Marktplatz, der durch die Station Neu-Blumenthal „neu-besiedelt“ wurde. Der Marktplatz ist mit der 6 wöchigen Installation „Aufstieg und Fall der Station Neu-Blumenthal“ Kunstort und zeitgleich durch seiner heterogene Zusammensetzung der Anwohnerschaft, den Plänen zur Verkehrsöffnung, den Akteur*innen vor Ort, Schauplatz auf dem aktuelle Blumenthaler Konflikte und Themen verhandelt werden. Dem Versuch rund um den Marktplatz verschiedene Perspektiven der Einwohner*innen ein zu sammeln und ein zu nehmen. Folgt das künstlerische Vorhaben mit ausgesuchten Neu-Blumenthaler*innen ihre Identität spielerisch zu „pimpen. Das bedeutet Identität als etwas gegebenes, gemachtes zu erkennen, diese aus dem realen Kontext heraus zu lösen und dann künstlerisch zuspitzen! Wir erfinden Outfits, Stammbäume, Lebensläufe und vermischen sie mit den realen Gegebenheiten von „echten“ Biographien und Lebensumständen und umgekehrt. Was ist hier „echt“, was erfunden? Ist die Inszenierung glaubwürdiger als die Realität? Es geht um Formen der Selbstinszenierung, die fotographisch dokumentiert werden, erfundene Interviews und kleine performative Interventionen, die auf und rund um den Marktplatz entstehen werden. Letztlich experimentieren wir mit der Auflösung von Rollenbildern kultureller Identität: „Ich heiße Nasrin Mutlu und ich kommen nicht aus Kurdistan. Ich bin in Blumenthal geboren und aufgewachsen. Ich bin Agnostikerin! Keine Ahnung ob es einen Gott gibt!!“ - „ Einmal bin ich einem Bus nach Bremen-Nord hinterhergefahren - weil ich neugierig war - und es wurde immer grüner, bis nach Blumenthal. Das hat mir gut gefallen. Ich bin dann mit meiner Familie nach Blumenthal gezogen, auch weil die Mieten hier bezahlbar sind.“ Gisela Lessing (Wahl-Blumenthalerin)
_ein Projekt von Martin Thamm
_in Zusammenarbeit mit Gisela Lessing, Yasmin Mutlu, Nasrin Mutlu und anderen „neu“ Blumenthaler*innen
_eine Kooperation von ZZZ - ZwischenZeitZentrale Bremen mit dem Theater Bremen
_gefördert vom Senator für Umwelt, Bau und Verkehr
Martin Thamm arbeitet als Regisseur und Performer im Bereich der darstellenden Künste. Er entwickelt Konzepte in wechselnden Konstellationen für die Bühne und den Stadtraum. Interaktive, Genre und Generationen übergreifende Projekte, inszenierte Walks als Interventionen im städtischen Raum, Urban Games, sowie das erfinden und verdichten des Materials aus dem Spektrum einer Person führen bei ihm in einen erweiterten Theaterbegriff. Dabei ist der professionelle Theatermacher nicht immer der Spezialist und die Frage nach dem Verhältnis von Zuschauer und Akteur wird aus dieser Perspektive immer wieder neu in verschiedenen Formaten ausgelotet. 2006 bis 2011 leitete er zusammen mit Tanja Spinger Junge Akteure am Theater Bremen. 2011 wurde Junge Akteure von der ASSITEJ Deutschland für die innovative und beispielhafte Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen ausgezeichnet. Davor arbeitete er mehrere Jahre als Schauspieler und Performer in verschiedenen Companies in Off Theatern in Niedersachsen und als Gast an Staats- und Stadttheatern in Hannover, Stuttgart und Basel. Er war Lehrbeauftragter als Gast an der Uni Hildesheim sowie Jurymittglied für das Best OFF-Festival Freier Theater der Stiftung Niedersachsen. Er studierte angewandte Kulturwissenschaften in Hildesheim und war Teilnehmer eines internationalen Schauspielseminars an der Hoogshool voor de Kunsten in Utrecht.
Zuletzt erarbeitete er für das JUP am Stadttheater Bremerhaven zusammen mit Max Görgen und Felix Reisel Lehe Go – ein Stadtraumspielals Urban Game (2017). Davor arbeitete er mit Natalie Driemeyer für das Theater Bremen an der Realisierung des Festivals Auswärtsspiel: Blumenthal (2016). Dafür entstanden unter seiner künstlerischen Leitung und Mitarbeit die inszenierten Rundgänge Bloomtag Walks und Fleurovalley durch den Ortskern von Blumenthal. Mit Katrin Bretschneider und Doris Weinberger performte er in der gemeinsam für die Schwankhalle Bremen entwickelten Life Art Performance and now show some action – ein lustvolles Weltuntergangszenarium (2015). Am Deutschen Theater in Göttingen entstand unter seiner Leitung das Projekt Erster Kuss (2015) mit jungen Erwachsenen zum Thema Gender und sexuelle Identität, sowie am Moks/Theater Bremen gemeinsam mit dem Moksensemble der Parcours Alice – ein Spiel (2015) ausschließlich für Kinder zwischen 9 und 12 Jahren. Am Jungen Schauspielhaus Hamburg erarbeitete er zusammen mit Jürgen Salzmann unter dem Label Stockholm Syndrom den Handy geführten Walk Signs & Wunder – 13 Wege to find a magic moment (2014) durch Ottensen und Altona in Hamburg.
Zeitraum
01.03.2018 - 31.07.2018
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