ZwischenZeitZentrale Bremen

Zu Besuch im Studio von Am Apparat

Eintrag von am 08.06.2020

Ein Künstler-Kollektiv komponiert im ehemaligen Verwaltungsgebäude von Könecke Musik

Bartmann Qualle, Spaze Windu, Hast und Luk the Dude (von links) in einem der vier Musikstudios im Wurst-Case, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude von Könecke.
Bartmann Qualle, Spaze Windu, Hast und Luk the Dude (von links) in einem der vier Musikstudios im Wurst-Case, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude von Könecke.

Hemelingen. Als Kollektiv bezeichnen Soziologen eine Gruppe von Menschen, die sich aufgrund von gemeinsamen Normen und Wertvorstellungen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entwickeln. Bei der Gruppe Am Apparat ist das verbindende Element die Musik. Das Kollektiv hat in den vergangenen Jahren nach und nach Musikstudios im Wurst-Case, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude von Könecke, eingerichtet. 

13 Musiker gehören zum inneren Kern des Kollektivs, die jeweils in unterschiedlichen Zusammensetzungen Musik machen. Aber so genau möchten sich die drei jungen Männer, die im Anschluss an den Fototermin im Studio, auf der Dachterrasse des Wurst-Case stellvertretend für das Kollektiv Platz nehmen, gar nicht abgrenzen. Sie betonen vor allem die freundschaftliche Verbundenheit. „Die kreativ sind und rappen, auflegen und produzieren, sind 13 Leute, aber da gehört auch immer so ein Dunstkreis von Leuten dazu, die uns unterstützen, Videos drehen und Fotos machen“, sagt Paul Fuhrmann, dessen Künstlername Spaze Windu lautet.

Die drei bemühen sich niemanden hervorzuheben. Fuhrmann unterstreicht: „Wir versuchen alles so basisdemokratisch wie möglich zu gestalten, aber klar, einige haben mehr Aufgaben übernommen.“ Fuhrmann zum Beispiel kümmert sich mit um das Merchandising und plant Veröffentlichungen. „Aber alles läuft auf einer freundschaftlichen Basis und nicht einfach geschäftsmäßig. Grundsätzlich können alle ihr Ding machen.“ Über den verbindenden Musikstil des Kollektivs sagt er: „Viele von uns machen relativ klassischen Hip-Hop-Sound, aber es gibt auch Ausbrecher.“ Daneben gebe es Ausflüge in den elektronischen Bereich. „Aber alles sollte organisch klingen“, sagt Paul Fuhrmann. Luk the Dude, eigentlich Jan-Lukas, ergänzt: „Wir haben sehr viele Stilrichtungen und alleine im Hip-Hop-Bereich gibt es sehr viele unterschiedliche Genres.“ 

Live-Auftritte sind derzeit unmöglich. Deswegen konzentriert sich die Arbeit in den Studios in Hemelingen. „Man hat jetzt mehr Zeit, Musik zu machen“, sagt Paul Fuhrmann. „Alle haben akzeptiert, dass es jetzt erst mal so ist“, so Jan-Lukas. „Um die Veranstaltungen ist es natürlich schade, weil man die Energie, die dort aufkommt, nicht einfangen kann“, bedauert Fuhrmann. Um Livestreams im Internet habe sich Am Apparat bisher „gedrückt“, wie er es ausdrückt. Dafür stehen in den kommenden Wochen Veröffentlichungen auf dem eigenen Hip-Hop-Label, das die Gruppe vor eineinhalb Jahren aus der Taufe gehoben hat, an. Ihren Lebensunterhalt können die Musiker noch nicht komplett mit ihrer Musik decken. „Wenn es sich ergibt, wäre es super“, sagt Fuhrmann. Auf der anderen Seite sei es auch gut, noch ein weiteres Standbein neben der Musik zu haben. „Dann haut einen so etwas wie Corona oder auch eine unkreative Phase nicht so raus.“ Viele Künstler und Musiker bangen derzeit wegen fehlender Auftrittsmöglichkeiten um ihre Existenz. 

Insgesamt vier Büroräume haben die DJs, Produzenten und MCs in der „Wurst“, wie das Wurst-Case auch genannt wird, von der Zwischenzeitzentrale (ZZZ) gemietet und zu Musikstudios umgebaut. In Paul Fuhrmanns Studio wird klar, dass auch moderne Musik nicht ohne gewöhnliche Instrumente auskommt: Gitarre, Bass und ein Keyboard stehen im Studio. Ergänzt wird dies durch Technik des jetzigen Jahrtausends: Eine moderne Groovebox, mit der die Beats und Samples für die Musikstücke produziert werden, ein Laptop und ein in der Musikszene immer noch unverzichtbare sogenannte 1210er DJ-Plattenspieler – letzterer ist genau genommen ein Produkt des 20. Jahrhunderts. In einem Regal reihen sich die Vinyl-LPs.

Einen bestimmten Musiker als Inspiration für ihr Schaffen möchten sie dagegen nicht nennen. „Hip-Hop ist eine Musikrichtung, die aus anderen entsteht. Deswegen kann ich gar nicht sagen, dass ich da eine bestimmte Inspirationsquelle habe“, sagt Jan-Lukas.
(c) Weser Kurier, Bremer Tageszeitungen AG, Bremen, 08.06.2020 im Weser Kurier, Text: Christian Hasemann, Foto: Petra Stubbe