Sie wollen leeren Raum füllen
Eintrag von am 10.02.2025
„Unvorstellbar“ – Daniel Schnier von der ZwischenZeitZentrale (ZZZ) muss nicht lange nach einer Antwort auf die Frage suchen, was denn die Stadt ohne die ZZZ wäre. Und auch die Stadt scheint ein Interesse am Fortbestand der ZwischenZeitZentrale zu haben – unlängst hat sie die Förderung für das Projekt um vier weitere Jahre verlängert.
Hoch oben, wo einst die Chefetage eines Wurstwarenherstellers residierte, haben die Akteurinnen und Akteure der ZZZ die Büroräume in Hemelingen bezogen. Nicht ohne Grund: Steht das „Wurst Case“, wie das frühere Könecke-Gebäude mittlerweile genannt wird, doch ebenso auf der Zwischennutzungsliste. Das ehemalige Verwaltungsgebäude mit seinen verwinkelten Bürofluren beherbergt inzwischen einen ziemlich bunten Mix aus Kunstschaffenden, Handwerkern, Musikern oder auch Institutionen, die schlicht ein Büro benötigen. Was es dort alles gibt: Gitarrenreparatur, Parteibüro, Maler, Bildhauer, Rapper mitsamt Tonstudio, Produktdesign, fotorealistische Tattoos, Reparatur von Röhrenradios, Schlagzeugunterricht.
Ein kleiner Ausschnitt aus der umfangreichen Palette des Wurst-Case-Gebäudes, in dessen oberstem Stockwerk die Initiatoren des ZZZ Platz genommen haben. Jana Dietrich, Daniel Schnier, Julian Essig und Oliver Hasemann sind an diesem Tag im gläsernen Kasten anwesend. Bereits 2006 haben sich Daniel Schnier und Oliver Hasemann kennengelernt, gründeten das Autonome Architektur Atelier (AAA) und beteiligten sich 2009 an einer Ausschreibung für eine Zwischennutzungsagentur – und erhielten den Zuschlag. „Dann haben wir das Projekt mit Vertretern der Stadt ZZZ genannt“, erzählt Oliver Hasemann. Von 2009 bis 2012 gab es Förderungen vom Bund, seit 2012 wird das Projekt komplett von der Stadt getragen, immer für jeweils vier Jahre.
AUCH ÖFFENTLICHE GEBÄUDE ANGEBOTEN
Seitdem also sollen leere Häuser und Brachflächen nicht mehr leer stehen oder brach liegen: „Wir suchen die Häuser oder die Flächen oder sie werden an uns herangetragen“, sagt er über das Tätigkeitsfeld der ZZZ, die von den Senatorinnen und Senatoren für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung, Wirtschaft und Finanzen finanziert wird, außerdem geben auch Immobilien Bremen und die Wirtschaftsförderung etwas dazu. „Deshalb werden auch häufig öffentliche Gebäude an uns herangetragen“, sagt Hasemann, „und dann schauen wir, was wir machen können.“ Es gebe aber auch Schwerpunktgebiete, wo die Stadt möchte, dass mehr passiert: Stadtteile etwa, wo etwas im Umbruch ist oder wo neue Impulse gesetzt werden sollen.
IMPULSE IN DER PLANTAGE 9
Diese Impulse setzte die ZZZ zum ersten Mal in Findorff: 2010 war das und das ehemalige Firmengebäude in der Plantage 9 ging 2012 in eine dauerhafte Vermietung über – der eigens gegründete Verein hat seitdem einen Ort für Kunstschaffende entwickelt, aber auch einen Ort als Ideenschmiede, als Kreativzentrum oder auch als Arbeitsstätte. „Das Gebäude ist also übergegangen von einer Zwischennutzung in eine reguläre Nutzung“, betont Hasemann, was ja auch ein Ziel der ZZZ darstelle. „Erstmal geht es darum, aufzuzeigen, dass eine Nutzung möglich ist“, erzählt er, wobei es manchmal auch von vornherein klar ist, dass das Haus eine temporäre Lösung bleibt. „Zum Beispiel das Schwesternwohnheim auf dem Gelände des Neuen Hulsberg-Viertels, da war es klar, dass es 2019 abgerissen wird. Oder beim Graffitiprojekt auf dem Coca Cola-Gelände, wo wir wussten, dass 2021 abgerissen wird.“ Und: „Da gab es auch einen Schuhladen in Huchting, den die Freizeitkünstler Huchting genutzt haben, bevor er verkauft wurde.“
Doch manchmal bringt die Zwischennutzung auch Ideen für eine langfristige Nutzung. Wie etwa das Könecke-Gebäude: „Erhaltenswert, weil es nutzbar ist“, sagt Hasemann zum 1959 errichteten Bürogebäude, und nun werden die Räume so vermietet, dass die laufenden Kosten bezahlt werden können.
RÄNDER DER STADT ALS ZIELGEBIET
Insgesamt 460 Projekte seien seit 2009 umgesetzt worden, wobei dabei jeder Kunstschaffende, jeder Raum und jede Ausstellung als Projekt definiert werde. „Wir beraten, wir leiten zu anderen Akteuren weiter, betreiben aber auch Eigennutzungen“, fasst Oliver Hasemann zusammen, oder anders ausgedrückt: „Betreuung, Initiierung und Vermittlung.“ Und Daniel Schnier ergänzt: „Wir sind eher für die Ränder der Stadt zuständig, das ist unser Zielgebiet. Um Räume zu öffnen oder in Stadtteilen Aktionen zu starten.“
Wo sieht sich die ZZZ in vier Jahren? Oliver Hasemann blickt nach vorn und deutet nach Woltmershausen – dort wird das alte Polizeigebäude nun einer kreativen neuen Nutzung zugeführt. „Wir sind gespannt, was an neuen Flächen auf uns zukommt“, sagt er, „da weiß man ja nicht, was frei wird. Und auch wichtig: Leute, die spannende Sachen herstellen, kann man konkret helfen und unterstützen. Wir eröffnen Möglichkeiten.“ Daniel Schnier ergänzt: „Empowerment! Leute finden, die etwas machen wollen und aufzeigen, was man machen kann.“ Für die nächsten 30 Jahre sei eine Planung jedoch nicht möglich, sagt Oliver Hasemann. „Aber Platzhalter zu sein, kann auch in Ordnung sein.“ Und eines wird deutlich: „Einige Sachen gäbe es nicht, die Plantage nicht und auch dieses Gebäude nicht“, meint Oliver Hasemann. „Aber auch die Leute, die hier einen Raum bekommen haben, gäbe es so nicht. Denn die hätten zu Hause gearbeitet oder eben gar nicht.“ (c) Bremer Tageszeitungen, Weser Kurier 16.12.2024 - Matthias Holthaus (Text) und Petra Stubbe (Fotos)
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(WURST CASE)
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