ZwischenZeitZentrale Bremen

Neues Atelier - Siebdruck im Blumenladen

Eintrag von am 07.07.2022

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Hastedt. „Wer Blumen kaufen wollte, kaufte sie hier“, sagt Christoph Babbel in den ehemaligen Geschäftsräumen des Traditionsgeschäfts Blumen Bechstein, das 2020 seine Türen schloss. Nun sind diese wieder geöffnet, Blumen werden allerdings keine verkauft, sondern höchstens gedruckt, denn drei Designer und Künstler haben sich dort ein Atelier eingerichtet.
Seit Mai steht die Tür des Geschäfts in der Föhrenstraße, die nach einer Sanierung Anfang der 2010er-Jahre inzwischen Renovierungsbedarf hat, offen und lädt Passanten zu einem Blick in die umgebauten Verkaufsräume ein. Als eine „glückliche Fügung“ bezeichnet der in Bremerhaven geborene Babbel die Räume in Hastedt. Zu Beginn der Corona-Epidemie hatte Babbel ein Atelier im Schlachthofturm in Findorff bezogen, da musste er raus, aus Brandschutzgründen. „Da war ich erst einmal ratlos, weil vieles einfach nicht mehr bezahlbar ist.“
Mithilfe der Zwischenzeitzentrale (ZZZ) aus Hemelingen machte er sich auf die Suche nach neuen Räumen und wurde in der Föhrenstraße fündig. „Ich brauchte etwas, wo auch mal Leute kommen können.“
„Das ging ganz unbürokratisch“, sagt Babbel. Der Inhaber habe etwas Kreatives in dem Geschäft haben wollen. „Und es gab auch Fürsprache durch Birgit Benke vom Stadtteilmarketing.“
Babbel kennt Hemelingen, wohnt selbst in Hastedt, und meint, dass sich der Stadtteil weiter wandeln wird. „Man kann sichtbar miterleben, wie sich der Stadtteil verändert“, meint der 43-Jährige. In manchen Straßen gebe es aber auch noch Leerstand. „Das wird sich ändern, viele ziehen nach Hemelingen, weil es woanders zu teuer ist und hier noch Platz ist.“
Platz gibt es in dem ehemaligen Blumengeschäft für drei kreative Köpfe. Neben Babbel sind das Alexander Ricke und Dirk Mertin. Insbesondere das analoge Siebdrucken nutzt „The Lab“, so nennen sie ihr gemeinsames Projekt, um Textilien, Papier und andere Materialien zu gestalten.
Für den Grafiker und Illustrator Babbel eine willkommene Abwechslung zur Schreibtischarbeit. „Das ist ein Kontrastprogramm zu meinem Job, wo ich am Computer arbeite.“ Im Atelier arbeite er händisch. „Das macht den Kopf frei“, sagt Babbel.
Im „The Lab“ werden Kreativtechniken gemischt: Graffiti, Collagen bis Malerei zählt Babbel auf. Im Moment stünden bedruckte T-Shirts an. Grundsätzlich eigneten sich aber fast alle Materialien zum Druck. „Konkave Formen sind schwer, ansonsten ist es eine Frage der Wirtschaftlichkeit, ob man für einen Druck zum Beispiel spezielle Schablonen anfertigt.“
Zum Grafikdesign ist Babbel über Graffiti gekommen, noch zu seiner Zeit in Bremerhaven. Dort wurde auch der Grundstein für die Freundschaft zwischen den drei Ateliernutzern gelegt. „Bremerhaven ist ein Dorf, wenn man da an Wand steht, dann kennt man sich“, sagt Babbel. „An der Wand stehen“ – damit ist das Graffiti-Sprühen gemeint.
Einfluss durch US-Soldaten
Das war in den 1990er-Jahren. In Bremerhaven waren damals noch amerikanische Soldaten stationiert – und die hatten durchaus einen Einfluss auf die Subkultur der Hafenstadt. „In Bremerhaven gingen Hip-Hop, Graffiti, Breakdance Hand in Hand“, erinnert sich Babbel. „Das war geprägt von den Amerikanern, die Videokassetten aus den USA mitbrachten, die dann weiterverbreitet und kopiert wurden.“
Als Teenager folgte der Umzug in die Stadt Bremen, Schulbesuch an der Julius-Brecht-Allee, Abitur am Gymnasium Hamburger Straße. Dann: Zivildienst auf einer Kinder- und Jugendfarm in Borgfeld. Dort hat Babbel Kreativgruppen für Kinder und Jugendliche angeboten. „Ich hatte immer Lust, etwas mit Leuten zu machen.“ Das soll auch in der Föhrenstraße nach und nach geschehen.
Im Herbst sind zunächst Druckerauszubildende aus Niedersachsen zu Besuch, um Einblicke in das analoge Drucken zu bekommen. Danach soll weiteres für Hemelingen folgen. „Ich möchte mich mehr im Stadtteil verorten“, sagt Babbel. Teilnahme an Straßenfesten, kleinere Workshops am Wochenende, Ende August ist „The Lab“ außerdem auf der Kompletten Palette am Hemelinger Hafen. Grundsätzlich ist Babbel, der in Hamburg studiert hat, offen. „Ich höre mir auch die wildesten Ideen an.“
Auch wenn es jetzt läuft, die Selbstständigkeit bringt auch Durststrecken mit sich. „Man lernt zu improvisieren, sich anzupassen, guckt, was es noch gibt, was glücklich macht, aber einen auch absichert.“ Corona sei eine schwierige Zeit gewesen.
„Ich habe damals unter anderem für Werder und Umbro gearbeitet. Aber alle waren damals sehr vorsichtig mit Aufträgen.“ Inzwischen arbeitet er mit einer halben Stelle für ein Oldenburger Unternehmen. „Damit ist das Grundrauschen da.“ Zuletzt hat Babbel wieder als Illustrator gearbeitet: für eine Broschüre des Bundesumweltamts.
INFO
Am Sonnabend, 9. Juli 2022, wird das Atelier „The Lab“, Föhrenstraße 6-8, eröffnet.
07.07.2022 Bremer Tageszeitungen AG, Martinistraße, 28195 Bremen