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Leerstand zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen

Eintrag von am 29.09.2015

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SPD und Grüne wollen dem Hamburger Beispiel folgen und das Polizeigesetz ändern, um zwangsweise private Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen zu können. Die SPD-Fraktion arbeitet laut ihrem Vorsitzenden Björn Tschöpe an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Auch das Sozialressort prüft eine Gesetzesnovelle. Es könne nicht angehen, Immobilien leer stehen zu lassen, während mehr als 1000 Menschen in Zelten untergebracht seien und Sportvereine zurückstecken müssten, erklärt Sprecher Bernd Schneider.

Wenn andernorts leer stehende Baumärkte zur Unterbringung genutzt werden könnten, müsse das auch in Bremen möglich sein, sagt Björn Tschöpe. „Wir müssen der Problematik mit deutlich härterer juristischer Munition begegnen können." In der SPD-„Werkstattfassung" eines „Gesetz zur Erleichterung der Notunterbringung von Flüchtlingen in nicht genutzten Immobilien" heißt es: Um Artikel 14 der Landesverfassung („Jeder Bewohner der Freien Hansestadt Bremen hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung") durchzusetzen, „dürfen sich Maßnahmen auch gegen Eigentümer und Besitzer von Gebäuden und Grundstücken richten (...) Solange Menschen in fliegenden Bauten oder Sporthallen untergebracht sind, besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit an Maßnahmen zu Unterbringung von Menschen in festen Räumlichkeiten." Zur Unterbringung von Flüchtlingen zwangsweise sichergestellt werden sollen ausschließlich „größere Einheiten für winterfeste Notunterkünfte", nicht etwa Eigenheime, betont der SPD-Fraktionschef.

Nicht nur das Sozialressort, sondern auch die Fraktion der Grünen befürwortet eine Gesetzesänderung, sagt deren Vorsitzende Maike Schaefer, „auch wenn es das letzte Mittel der Wahl ist". Das Sozialressort habe mittlerweile quasi jede stadteigene Immobilie überprüft und unermüdlich mit Privateigentümern verhandelt. „Oft gibt es gute Gründe, warum sich Gebäude doch nicht eignen." Das könnten gesundheitsgefährdende Belastungen oder mangelnder Brandschutz sein.

Angesichts des herannahenden Winters müsse jede Möglichkeit ausgeschöpft werden, um Flüchtlinge unterzubringen. „Wichtig ist uns, dass der Weg juristisch sauber ist. Wir wollen keine Enteignung, sondern es geht um eine Zwangsbelegung." Sich rechtliche Schritte vorzubehalten, könne auch als Appell an Eigentümer verwaister Immobilien verstanden werden: „Die tollste Willkommenskultur wäre, wenn wir freiwillig mehr Platz angeboten bekämen."

Im Vergleich zum Vorjahresmonat habe sich die Zahl der Flüchtlinge in Bremen etwa verzehnfacht. Deshalb sehe sich das Sozialressort gezwungen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Geplant ist, die Gesetzesänderung zu befristen. Zudem sollen Eigentümer angemessen entschädigt werden. Zu den Gebäuden, an denen bereits seit geraumer Zeit Mietinteresse besteht, zählen auch in Bremen leer stehende Baumärkte. Das Wirtschaftsressort bemüht sich darum, einen Kontakt zwischen Eigentümern und Sozialressort herzustellen. Die Baumärkte seien schon früh als mögliche Unterkunft im Gespräch gewesen, heißt es im Wirtschaftsressort. „Damals wurden die Unterbringungsstandards noch anders diskutiert", angesichts der dramatischen Lage kämen die Gebäude jetzt jedoch infrage.

Die CDU steht dem Vorstoß skeptisch gegenüber. Fraktionschef Thomas Röwekamp bezeichnet ihn als „eine populistische Scheinlösung". Das Sicherstellen von Privatbesitz „ist nicht praktikabel". Zu befürchten seien „langwierige juristische Auseinandersetzungen, mit denen die Behörde zurzeit völlig überfordert wäre". Tschöpe hält dem entgegen, dass eine Sicherstellung nach Polizeirecht keine aufschiebende Wirkung habe - trotz möglicher juristischer Auseinandersetzungen könnten die Gebäude genutzt werden.

Das Gesetz soll, wenn es nach Tschöpe geht, noch bis Ende des Jahres verabschiedet werden und in Kraft treten. Es lehnt sich an ein Vorbild aus Hamburg an. Dort ging der Senat in den 60er-Jahren bereits ähnlich vor - um Menschen unterzubringen, die durch die Springflut obdachlos geworden waren. In Hamburg sei die Entscheidung auf Verständnis gestoßen, sagt Regierungssprecher Jörg Schmoll. Zudem gehe der Senat davon aus, dass das Polizeirecht gar nicht zu Anwendung komme, weil man sich gütlich mit den Eigentümern von Gewerbehallen einigen könne. 

Silke Hellwig 29.09.2015 (c) Weser Kurier, Bremer Tageszeitungen AG, Bremen 

 

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